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Nachverdichtung als städtebauliche Herausforderung
Mit der ungewöhnlichen Idee, eine Kindertagesstätte auf einem nicht genutzten Oberdeck eines Parkhauses in der Nürnberger Südstadt zu errichten, stieß der Bauherr, Andreas Klier, bei den zuständigen Beteiligten zunächst auf Skepsis und Kopfschütteln. Doch jeder, der den möglichen Bauort auf dem Dach betrat, war von dieser Vision sofort überzeugt. Und so entstand nach einer kurzen Planungsphase und einer neunmonatigen Bauzeit, Deutschlands höchstgelegene Kindertagestätte.
Das Konzept der Kindertagesstätte „Wolke 10“ macht aus einem Problem eine Chance: Mit spielerischer Leichtigkeit stellt das Konzept unter Beweis, dass eine nicht nur ungenutzte, sondern auch höchst ungewöhnliche Fläche zu einem innovativen, idealen Ort für Kinder werden kann. Nicht zuletzt dem sozialen Engagement des Musikalienhändlers Andreas Klier, Bauherr und Initiator des Projekts, ist das Paradebeispiel für die Auflösung gesellschaftlicher Unterschiede zu verdanken. Inmitten des sozialen Brennpunkts der Nürnberger Südstadt konnte auf dem ungenutzten Oberdeck eines Parkhauses ein regelrecht privilegierter Hotspot für Kinder jeglicher Couleur realisiert werden. Die mit 16,70 Meter über Straßenniveau höchstgelegene Kindertagesstätte Deutschlands mit Burgblick entstand in einem Stadtgebiet mit höchster Bebauungsdichte.
Aus Skepsis wurde Überzeugung
Wie viele neuen Ideen stieß auch diese zunächst auf Skepsis. Doch selbst die Zweifler ließen sich bei Besichtigung des spektakulären Bauplatzes von der Vision leicht überzeugen. Nach kürzester Planungsphase und nur neunmonatiger Bauzeit konnte der Hort bezogen werden. Nicht nur aus ökologischen und statischen Gründen entschieden sich die Planer der querwärts Architekten aus Nürnberg für einen Holzständerbau: Die Leichtigkeit der Konstruktion und das „Wohlfühlklima“ bedingen sich unmittelbar. Eine Herausforderung stellten die statischen Gegebenheiten des Parkhauses aus dem Jahr 1979 trotz allem dar. Um die nötigen Gewichtsreserven aufzustocken, mussten rund 700 Tonnen Gartenmannbelag abgetragen und entsorgt werden. Die Baumbepflanzung konnte ausschließlich an Stellen mit stabilisierenden Unterzügen vorgenommen werden. Zudem konnten aufgrund der ungewöhnlichen Baustellenhöhe die Baumaterialien nur mittels Baukran auf die 9. und 10. Ebene des Parkhauses angeliefert werden. Fingerspitzengefühl erforderte auch die Planung der Wasserver- und -entsorgung.
Kinderlachen hoch über der Stadt
Das Betreuungsangebot ist für maximal 86 Kinder ausgelegt, aufgeteilt in zwei altersgemischte Kindergartengruppen im Alter von 3 bis 6 Jahren mit je 25 Kindern, und für drei Krippengruppen mit je 12 Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren. Die integrative und interkulturelle Nutzung des Kindergartens mit musikalischer Förderung wird durch den Bauherrn persönlich unterstützt. Dessen Familie betreibt seit 1979 im Erdgeschoss des Parkhauses das „Musikhaus Klier“. Die Einrichtung auf dem Dach ist damit eine lebendige Bereicherung des musikalischen Hauses. Der längliche Baukörper schlängelt sich mit seiner in vier Ebenen geteilten, versetzten Holzfassade an der Südseite der Dachfläche entlang. Große Panoramafenster lassen viel Licht in die Spiel- und Aufenthaltsräume und geben den Blick über die Dächer der gesamten Stadt bis hin zu ihrem Wahrzeichen, der Kaiserburg, frei. Dabei sind sowohl Innenals auch Außenbereiche von nirgends her einsehbar – in dieser Kombination für Lebensbereiche eine der seltensten und begehrtesten Situationen in urbanen Ballungszentren.
Eine eigene, kreative Welt entsteht
Die Gestaltung der hellen, offenen und einladenden Innenbereiche setzt auf Proportion und Detail. Eine Spielburg in Form einer dreidimensionalen Kinder(tri)bühne, ein aufwändig ausgeführtes Oberlicht in der Umkleide oder auch das erfrischende Badfliesendesign bieten Kindern eine kreative Atmosphäre.
Die großzügige Spiel- und Gartenlandschaft versammelt ein buntes Spektrum von unterschiedlichen Spielgeräten wie Klettergerüste und -wand, Musikinstrumente, Schaukel, Sandkästen, Rutsche und sogar einen kleinen Bolzplatz. In der grünen Parkhausdachoase mit Rasenflächen, Pflanzen und bis zu vier Meter hohen, schattenspendenden Bäumen können sich die Kinder ohne jegliche Störung der Umgebung ungehindert austoben. Eine knapp drei Meter hohe Mauer des ehemaligen Parkdecks schirmt das Areal hoch oben auf dem Dach ab. Fangnetze bieten zusätzlichen Schutz gegen herunterfliegende Spielbälle. Eine Lärmbelästigung durch den Straßenverkehr ist aufgrund der Höhenlage kaum vorhanden. Erschlossen wird die Kindertagesstätte unter anderem durch einen Aufzug, der von der Straße direkt zur Eingangstür führt und zugleich im Notfall als Feuerwehraufzug dient. Die Trockenbauarbeiten wurden vom BIG-Mitglied Merkel Trockenbau aus Baiersdorf ausgeführt. Dies umfasste beplankte Metallständerwände und Holzständerwände, Akustikdesignlochdecken, glatte GK-Decken und der Brio Trockenestrich. Das Bauvorhaben wurde durch die VHT Darmstadt nach RAL geprüft. Knapp 2,7 Millionen Euro wurden in das außergewöhnliche, Mitte April 2015 eröffnete Projekt investiert. Etwa 1,2 Millionen Euro steuerte der Freistaat Bayern bei, rund 700.000 Euro die Stadt Nürnberg. Für die Erschließung neuer Flächen in der zunehmenden Bebauungsdichte von Metropolen kann die Kindertagesstätte „Wolke 10“ auf dem 10. Deck eines Parkhauses als zukunftsweisendes Beispiel dienen.
Mehr Informationen unter: http://www.merkel-trockenbau.de und http://www.querwaerts.de
Bildquelle: querwärts Architekten